Lerngeschichten Sprachanfänger
Wann beginnt Sprache?
Wann beginnt ein Dialog?
Wie gestaltet sich die Sprache der Sprachanfänger?
Was ist Sprachförderung?
Dazu einige kleine Geschichten - lesen Sie selbst:
Unser Großneffe (20 Mon) sollte zum weihnachtlichen Familientreffen bei uns mitkommen. Ich fragte an, ob ich den Bauernhof herausholen sollte. Sein Wortrepertoire beschränke sich bisher neben Mama, Papa und Opa im wesentlichen auf die verschiedenen Tiergeräusche. Am Traktor sei er noch gar nicht interessiert. So berichtete mir vorab am Telefon seine Oma.
Er war begeistert von dem Bauernhof und brachte den ganzen Nachmittag mit wechselnden wohlmeinenden Erwachsenen und den Bauernhoftieren zu.
Einige kurze (Funktions-)Wörter hörte ich von ihm und konnte feststellen, dass er die Lippen- und Dentallaute beherrscht. Als ich hinzukam, spielte er gerade mit den Kastanien, ließ sie vom Sofa kullern und meinte: "no danien" = noch mehr Kastanien - toll! Nach kurzer Zeit war dies Spiel uninteressant und ich bot von mir aus ein neues Spiel an: ich holte mit Traktor und Anhänger einige Tiere einzeln ab und fuhr damit zum See. Dabei drehte der Traktor immer eine Runde und machte "bob bob bob", lud ein Tier auf, fuhr mit "bob bob bob" zum See, ließ das Tier raushüpfen: "hopp" und fuhr mit "bob bob bob" zum nächsten Tier. Nach einiger Zeit unterstütze mich der kleine Kerl mit seinem: "bob bob". Ob er es zuhause auch anwendet? Viellleicht, vielleicht muss aber auch die Mutter diese Spiel zuhause aufgreifen, damit er sich an dieses neue Wort bob erinnern kann.
Ein Zweieinhalbjähriger (Sprachstand: 4 Wörter) kam mit seiner Mutter und einer Dolmetscherin das erste Mal zu mir in die "Sprachtherapie". Wir spielten auf dem Boden mit Holztieren und Baufahrzeugen. Ich bot ihm in unserem Spiel einfache Wörter und kleine Sätze an. Er redete nicht, machte auch keine Fahrgeräusche. Nach längerem Spiel wurde er neugierig und erkundete auch andere Ecken im Raum. Dabei entdeckte er den Arztkoffer. Wir öffneten ihn und er steckte sich sachgerecht das Stetoskop ( ich nenne es "Hörrohr" ) in die Ohren. Daraufhin nahm ich die Membran und drückte sie dem Puppenbaby auf die Brust und sagte "puck-puck-puck", mit dem Puppenmädchen machten wir es genauso, dann war mein Herz dran, ich sagte wieder "puck-puck-puck" und er sprach nach: "puck-puck". Nun weiß ich wenigstens, dass er "puck" sagen kann. - Ich schickte ihn zur Mutter an den Tisch, in der Hoffnung, dass er es dort auch sagen würde, aber er spielte nur pantomimisch die Abhörsituation, die er sicher vom Kinderarzt kennt.
Ein gerade Zweijähriger aus der Verwandtschaft - er wächst zweisprachig auf - hat merkwürdigerweise für verschiedene Tiere, deren Namen er auf tchechisch kannte, das deutsche Wort "Fleisch" als Oberbegriff übernommen. Einmal zeigte er aus dem Auto auf die Wiese und meinte:"Fleisch - schlafen". Dort lag ein Schaf! - So wurde es mir erzählt.
Bei der Hochzeit unserer Nichte im Mai 2013 fiel ein Baby (5 Monate alt) prompt in die Orgelmusik ein.
Später brabbelte das kleine, musikalische Baby vor sich hin, da kam von weiter hinten eine Antwort - noch ein Baby. Die beiden begannen einen kurzen Dialog und beachteten deutlich die einfache Sprachregel: "Wenn einer spricht, ist der andere ruhig!"
Dann hörte ich gestern auch noch einen kurzen Dialog zwischen einer Mutter und ihrem 17 Monate alten Sohn im Kinderwagen: "Anja?" Antwort der Mutter: "Anja ist bei der Oma" - die Mutter nimmt den Einwortsatz von ihrem Sohn auf, der nach seiner achtjährigen Lieblingskusine fragt. Sie erweitert den Einwortsatz und bietet ihm neue Wörter in einem kurzen informativen Satz an. Eine ideale Sprachförderung für Sprachanfänger!
Warum ich das Alter der Kinder weiß? Ich fragte einfach die Mütter und hatte dann noch nette Gespräche über die Sprache der Kinder!
Kürzlich wurde mir von einem "Papabaum" berichtet, das Kind meinte einen großen Baum und nahm den großen Papa als Ausdruckshilfe. Das "Babyschaf" als Bezeichnung für ein Lamm, also das kleine Schaf, kannte ich ja schon ...
Drei kleine Sprachanfänger
Gestern erlebte ich gleich drei Kinder im Alter von 18 / 19 Monaten auf einmal.
Der Junge saß in einer geräumigen Pappschachtel. Als ich seinen Vater und ihn begrüßte, hielt er einen Würfel über den Schachtelrand. Ich fragte ihn: "Bekomm ich den?" Er sah mich an und gab mir bereitwillig den Würfel. Ich bedankte mich und gab ihn ihm gleich wieder zurück: "bitte"! Er streckte mir den Würfel wieder hin, ich nahm ihn "danke" und reichte ihm diesmal den Würfel durch ein Loch in der Pappschachtel zurück: "bitte". Dann entdeckte ich seinen Hund: "Da ist dein Hund, bekomme ich deinen Hund?" Er verstand mich sofort und reichte mir seinen Hund. Auch dieser zwängte sich mit "wau-wau" sofort wieder durch das Loch in der Pappschachtel zurück. Dieses Spiel wiederholten wir, bis wir abgelenkt wurden.
Da ich für den Jungen fremd war, griff ich sein Würfelspiel auf und bot ihm ein Spiel mit Sprachbegleitung an - mehr nicht.
Später saß ein Zwillingsmädchen auf dem Schoß der Mutter und war eifrig am Tisch beschäftigt. Die Zwillingsschwester kam dazu, wurde auf den Arm genommen, quengelte und wischte ihrer Schwester geschwind eine kleine Backpfeife über den Kopf. Sofort wurde sie auf den Boden gesetzt. Sie versuchte auf den Schoß der Oma zu gelangen, bekam aber zu hören: "Erst entschuldigst Du Dich bei Deiner Schwester - Komm mach "ei" bei ihr." Ihre Hand wurde zum Arm der Schwester geführt, sie streichelte sie kurz, das galt! Nun durfte sie auf den Schoß der Oma.
Ich war sehr beeindruckt, dass das Verhalten nicht geduldet und ihr gezeigt wurde, wie sie sich mit sprachlicher Anregung "ei" richtig zu verhalten hatte.
Alle 3 Sprachanfänger zeigten ein ausgeprägtes Sprach- und Situationsverstehen. Da sie erst am Sprachanfang stehen, sind wir es, die viel mit den Kindern sprechen und ihnen viel zeigen müssen. Sie lernen beständig dazu, übernehmen auch immer mehr Sprache und bringen sich immer sicherer in das Geschehen ein - handelnd und sprachlich.
Besuch in einer Gruppe 1- 3 Jähriger:
Zunächst höre ich gar keine Sprache - vermutlich sind die Kinder erst einmal zurückhaltend, wenn Besuch kommt.
Mit der Zeit höre ich kleine Dialoge der beiden Erzieherinnen mit einzelnen Kindern. Bei mehreren Kindern ist tatsächlich noch nicht viel Sprache vorhanden, nicht weil sie in ihrer Sprachentwicklung langsam wären, bei Zweijährigen entwickelt sich über das Benennen hinaus gerade erst die Sprache zu kleinen Sequenzen.
Nina mit 2;02 Jahren sagt:
"Nina Tee, die Wasser."
"Finja saukelt, ich rennt."
"hier gelb, Nina machen"
"nein lila - pink" = lila und pink gibt es bei den Steckklötzen nicht
"nich umfalle" = der Steckklotz, den sie hochgestellt hat, ist nicht umgefallen
"gelbe Murmel - ander Murmel weg" Erzieherin: "Wo hat die sich versteckt?" Antwort: "ander zimmer" - sie kriecht im Nebenzimmer unter das Regal, holt die Murmel hervor und verkündet: "da, ander da!" = die andere Murmel ist wieder da.
Ein Junge in ähnlichem Alter sagt: "Messer, meins Messer!"
Das 2;08 Jahre alte Mädchen zeigt mir den Finger: "Kuck mal, da hab ich aua." Der danebenstehende, jüngere Junge sagt beruhigend zu ihr:"gut, gut." Ich deute seine Worte so, dass er ihr zum Trost sagt: es ist bald wieder gut.
Vereinfachung - Anpassung an die Möglichkeiten der Jüngeren
Das war heute wirklich eine bemerkenswerte Erkenntnis!
Wir besitzen ein Angelspiel mit Holzfischen (siehe Bild) und einer zweiteiligen Angel. Die Angel muss eigentlich zusammengesteckt werden. Das Angeln der Fische mit dem Magneten, der am Faden baumelt, ist trotz stabiler Holzangel und stabiler Holzfische für die Kleinen nicht besonders leicht.
Heute endlich verstehe ich, warum die Angel zweiteilig ist:
Wir können den Stock mit Magneten am Ende auch ohne den Angelfaden benutzen. D.h. die Kleinen stupsen mit dem magnetischen Ende des Stockes auf den Fisch und können ihn hochnehmen und in den Eimer befördern - ich begleite dies mit den Worten "hoch" und "in den Eimer".
Nun ist alles ganz einfach: Die vereinfachte Angel ist besser handhabbar, und meine begleitenden Worte sind auch ganz einfach und beschränken sich auf das Wichtigste.
Es zeigt sich bei vielen Spielsachen, dass sie für die Kleinen reizvoll aber in der Handhabung noch zu schwer sind. Beim Angelspiel kenne ich nun die Vereinfachung !!!
Eine weitere Geschichte:
Bald wird der Junge drei, bei unserem ersten Treffen spielt er vor allem mit dem Gabelstapler. Er schiebt die Gabel hoch - zu hoch - und sie rutscht heraus. Also muss ich sie wieder richtig in die Führung hinein schieben. Er schiebt sie wieder hoch, diesmal rufe ich "stopp" und halte meine Hand als Bremse über die Gabel. Nun zeige ich ihm, wie man an der Kurbel drehen und die Gabel hinaufdrehen kann. Dabei sage ich immer wieder "hoch" und rufe rechtzeitig "stopp", dann lassen wir die Kurbel los und die Gabel saust wieder runter , begleitet von meinem "runter". Also kurbeln wir wieder: "hoch" bis zur richtigen Höhe und meinem Ruf "stopp". Nach einiger Zeit spricht er ein Wort mit: "hoch". Ich bin hoch erfreut, da ich der Mutter auf diese Weise anschaulich signalisieren kann, wie wichtig kurze und lautlich einfache Wörter und ihre häufige Wiederholung sind.
Sprachanfänger
Da die Kindergärten vermehrt Gruppen für jüngere Kinder eröffnen, erlebe ich in den Kindergärten allmählich auch Kinder, die in ihrer ganz normalen Entwicklung erst am Sprachanfang stehen. Somit beziehen sich die Erfahrungen, die ich hier aufschreiben möchte, auf Kinder im Alter von 1-3 Jahren, die erst am Anfang ihrer Sprachentwicklung stehen.
Gestern wurde ich zur Beratung in die Zwergengruppe gerufen, die Mutter kam nicht, aber die Erzieherinnen erzählten mir kurz von dem Kind: Es sage nur "da da", könne "Ball" sagen und "Auto", und bei Banane habe es "bababa" nachgesprochen und "Bobbycar" gelinge auch. Daheim höre der Junge neben deutsch 2 weitere Sprachen.
Diese Aussagen waren schon sehr aufschlussreich:
Kurze Zeit später kam der Junge um die Ecke marschiert, mit einem Bauklotz in der Hand. Die Erzieherin zeigte ihm, wohin er den Bauklotz aufräumen sollte. Er warf ihn in eine andre Kiste. Also nahm ich ihn an die Hand, holte mit ihm den Bauklotz, und warf ihn in die richtige Kiste mit den Worten: "da rein". Gleich gab ihm die Erzieherin 2 Teller und 2 Tassen aus Plastik mit den Worten: "Trag das bitte in die Küche". Als er den falschen Weg einschlug, schob ich ihn in die richtige Richtung und half ihm. Wir öffneten den kleinen Schrank in der Kinderküche und stellten erst die Teller und dann die Tassen hinein. Wieder hörte er bei jedem Gegenstand die Worte von mir: "da rein". Tatsächlich wiederholte er zum Schluß meine Worte: "da rein" !
Januar 2013 - aus meiner Intensivambulanz für Dreijährige
Zuerst müssen wir die schüchterne Phase überwinden - ich muss mir schnell etwas einfallen lassen, das in der momentanen Situation das Kind interessieren könnte. die Mutter hilft mir mit ihrer Bemerkung. "Sie hat sich schon gefreut, wieder den Bär zu besuchen." Also hole ich unseren netten Plüschbären von der Fensterbank und begrüße das Mädchen. Dann sagt der Bär: "ich möchte gerne ein Haus haben". Ich beginne mit Bauklötzen ein Haus auf den Boden zu legen, in das später der Bär hinein gehen kann. Dazu benötige ich den Laster, der Bauklötze transportiert. Nach kurzem Zuschauen hilft mir das Mädchen mit den Bauklötzen, holt bald selbst mit dem Bagger Bauklötze und wir bauen Häuser für den Bären, den Waschbären und den Panda. Sie wiederholt einige Wörter von mir, und nimmt zumindest ein mehrfach selbst gesprochenes neues Wort mit heim: "Haus".
Beratung im Kindergarten bei den Kleinen, September 2012: Wir gehen in einen Nebenraum, in dem schon mein rosa Koffer bereit steht. Kaum hat die Mutter die Tür geschlossen, fängt der Zweieinhalbjährige wie am Spieß zu brüllen an. Seine Mutter meint: "Dir passiert doch nichts, keine Angst". Ich versuche die Ablenkungsebene:"Schau mal, ich habe einen Koffer, den machen wir jetzt auf." Als er die Gegenstände in dem Koffer sieht, ist er sofort ruhig und neugierig. Nun können wir abwechselnd Dinge herausholen, und er weiß schon viele Namen der Gegenstände. Er ist in seiner Sprachentwicklung schon recht weit und weist nur die typischen Artikulationsprobleme beim /sch/ auf. Auch seine Sätze klingen schon häufig richtig.
Mein kleiner zweijähriger Freund sagt wieder etwas neues: Hir pass mäh = der Hirte passt auf die Schafe auf. Später fragt mich seine Mutter, ob ich ähnliche Hausschuhe habe wie er. Erstaunt bejahe ich, Meine sind auch grau, aus Filz und geschlossen, damit ich keine kalten Füße mehr habe. Nur sind bei mir vorne keine Mäusegesichter drauf. Als der kleine Kerl vor drei Tagen das Nikolausgeschenk auspackte, hat er sofort mehrfach meinen Namen gesagt. Seine Mutter konnte sich nur zusammenreimen, dass ich ähnliche Hausschuhe besitze, die er bei seinem Besuch vor einem Monat wohl mit seinen 2 Jahren und einem Monat genau registriert haben muss!!
Einen Monat später begrüßt er mich: „Ton schaff“. Ich war gekommen, um die Tonfiguren abzuholen, die Mutter und großer Bruder gefertigt hatten.
Drei Wochen später zieht er mich an der Hand: „Holz schaff“ und zeigt mir an der Werkbank, wie gut er mit der Feile ein Loch bohren kann. Das Wort „Loch“ greift er allerdings von mir noch nicht auf. Später beim Vorlesen spricht er das letzte Wort beim wiederkehrenden Satzmuster sehr gut mit! Er ist inzwischen knapp 2;05 Jahre alt.