Sprachförderung
- aufbauend auf dem Anna - Buch
(siehe auch unten: Praxisbeispiel)
Vor Jahren entdeckte mein Mann als Leiter der Beratungsstelle des Sprachheilzentrums Calw, dass manche Wörter auch von ganz schwachen Kindern gesprochen werden können, z.B. Uhr, Hammer, Eier, Baum. Diese begann er zu sammeln. Ein Kollege überlegte Bilderbuchszenen dazu und gemeinsam erstellten wir das Anna-Buch.
Mit der Zeit fragten immer wieder Eltern von besonders sprachschwachen, dreijährigen Kindern in der Beratungsstelle an, sodass ich das Material mit diesen ganz einfachen Wörtern für meine ambulante Therapie ausbaute. Die Wörter, nach denen ich suchte und suche, sind lautlich besonders einfach und ganz kurz, entstammen dem kindlichen Wortschatz und lassen sich malen...
Die Ausgangslage für die Therapie ist immer die gleiche: ich biete den Kindern einfache Wörter an, die sie zur Freude der anwesenden Mutter teilweise gleich nachsprechen können. Durch das häufige Anschauen des Anna-Buches daheim können die Wörter gefestigt werden. Bei der Zuordnung zu den entsprechenden Gegenständen, bei Farbwürfelspielen, bei Zusammensetzungen (etwa Eierhammer oder Baumuhr) und bei Spielen aus dem Bereich: „Wie setze ich Memorykarten ein“, werden die sehr einfachen Wörter immer wieder benannt und wenn es nur ganz einfach beim Fahren mit dem Laster ist, der die Bildkarten, sprich: „Steine“, einsammelt.
Recht bald hatte ich weitere Einsilber und auch lautlich einfache Zweisilber dazu gemalt und kann seither damit den sehr geringen Wortschatz wirkungsvoll erweitern. Zur Unterstützung dienen die Bauernhoftiere mit ihren einsilbigen Tierlauten, die Weide mit Zaun, die wir bauen und deren Tor wir auf und zu machen können, die Tiermama, die ihr Kind ruft: „Lamm, komm!“, der Bauer mit seinem Bulldog (schwäbisch für Traktor), Futter für die Tiere oder kleine Satzmuster: „ Das Pferd läuft, die Kuh läuft…; das Pferd schläft, die Kuh schläft….“ . Geeignet sind auch der Kaufladen mit seinen Euros und „Kasse auf, Kasse zu“ und einfache Farbbezeichnungen rot, blau (meist „bau“), gelb (eher "geb"), lila, rosa …
Allmählich fiel mir auf, dass die Kinder ganz unterschiedliche Wege gingen: Viele Kinder griffen Substantive auf, einige bauten vor allem Verben in ihre Sprache ein, manche sprachen die Laute weitgehend richtig, andere hatten nur Vokalsprache:
Der kleine Maik sagte z.B. beim Flohhüfspiel „ o – ü“ (mit offenem o) – wir hatten die Chips um ein blaues Tuch verteilt. Sie wurden zu Fröschen, die in den See hüpften, und wir sagten dazu „Frosch hüpf“ oder bei ihm eben: „o – ü“. Ein Kind verlängerte seine Worte zunächst durch Verdoppelung: Nudel = „nunu“, ein anderes reagierte besonders auf Reime, eines liebte meinen Abzählvers: „mi, ma, mu, raus bist du“. Da es selten einen Mundschluss zeigte, blieben wir gleich bei den Wörtern mit M- : „Mann, Maus, Mauer, malen… und zählten diese auf Bildkarten ab.
Im Herbst malte ich ein Igelbuch mit einfachen Sätzen und lautlich einfachen Wörtern, und in meinem Kopf spuken schon wieder neue Ideen herum.
Mein Ansatz besteht darin, dass ich nach leicht zu sprechenden Wörtern suche und diese den Kindern in Anwesenheit der Mutter, die mein Sprachverhalten direkt beobachten kann, anbiete. Die Kinder greifen aus ihrer Sprachumgebung selbständig Wörter auf, im Extremfall nur ein Wort pro Woche, und erweitern allmählich ihren Wortschatz. Manche Kinder sind erfinderisch, z.B. „ho“ = groß, „mini“ = klein und „mini-ho“ = mittel, da der Gedankenprozess sehr viel vielfältiger als die sprachliche Umsetzung ist. Andere Kinder lassen sich nur mühsam mitziehen. Dennoch entwickeln sich alle Kinder weiter und können allmählich immer aktiver an der sprachlichen Kommunikation teilnehmen. Ihre Therapie kann sich dann allmählich neben der Wortschatzerweiterung stärker auf den Aufbau von Grammatik und/oder Lautanbildung konzentrieren.
Dieser Ansatz bedeutet, dass ich sehr individuell auf jedes einzelne Kind eingehen kann, erfordert aber auch Erfindungsreichtum und Vertrauen in die eigene Spontaneität, da eine Stunde häufig nicht so abläuft, wie ich sie geplant habe. Gleichzeitig versuche ich, den Eltern zu vermitteln, dass sie die meiste Zeit des Tages mit dem Kind zusammen sind und analog zu meinem Sprachverhalten mit den Kindern in einfachen Sätzen unter Betonung von wichtigen Wörtern reden sollten, da diese derzeit davon am besten für ihren eigenen Sprachaufbau profitieren können. Theda Hiller
ANNA - Buch in der Praxis
Zum ANNA - Buch habe ich eine Kiste mit Gegenständen zusammengestellt. Neulich haben wir mit den Gegenständen hantiert.
Der Zweijährige hat einige Dinge aus der Kiste heraus geholt,
den Eimer angeschaut,
die gelbe Ente hineingesetzt,
das Auto hin und her gefahren,
das Ei untersucht und festgestellt, dass es klappert. Daraufhin hat er es geöffnet, die Nuss heraus geholt, wieder hinein gesteckt und das Ei verschlossen, es erneut geöffnet, die Nuss ausgekippt usw. Ich habe ihn sprachlich begleitet.
Anschließend war der Hammer dran, er schlug 2x mit ihm auf die Bierflasche und ich sagte "bum bum" - er schlug wieder 2x auf die Flasche und ich antwortete "bum bum", er schlug 2x auf die Flasche und ich antwortete "bum-bum". Nach mehreren Wechseln schlug er 4-5x auf die Flasche und legte den Hammer weg....
So ergab sich ein kleines Wechsel"gespräch", obwohl er eigentlich erst 3 wortähnliche Geräusche spricht.